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Wenn aus Lehrern Schüler werden


August 12, 2020    VFS

 

Wenn aus Lehrern Schüler werden

10 Lehrerinnen und Lehrer sitzen an Schreibtischen und denken über die Lösungen zu den Aufgaben nach, die sie vor sich haben. Die Situation ist ungewohnt für die Lehrkräfte: Dieses Mal befinden sie sich in der Rolle der Lernenden, denn sie besuchen eine Schulung, die vom Programmbereich Inklusion der Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) organisiert wird.

96 Lehrerinnen und Lehrer aus den sieben Schulen für Kinder mit Behinderungen der Stiftung nahmen an dieser Schulung teil, die am 8. Juni begann und 6 Wochen dauerte. Die Lehrkräfte unterrichten normalerweise Kinder mit Seh- oder Hörbehinderungen. Während die Einen Kindern die Braille-Schrift beibringen, unterrichten die Anderen Kinder in Gebärdensprache. Aber da die wenigsten Lehrkräfte beide Fähigkeiten beherrschen, hat die Stiftung beschlossen, die Zeit, in der die Schulen wegen Corona geschlossen sind, zu nutzen, um ihre Lehrerinnen und Lehrer weiterzubilden.

Lehrkräfte einer Schule für Kinder mit Seh- oder Hörbehinderungen lernen Braille.

„Da die Schulen noch geschlossen sind, wollten wir diese Zeit nutzen, um unsere Lehrenden fortzubilden, da sie so Kompetenzen erlangen, die für die Schaffung von inklusiven Räumen, insbesondere im Bildungsbereich, hilfreich sind“, sagt Yugendhar, der stellvertretende technische Direktor des Programmbereichs Bildung in Indien.

Die Schließung von Schulen – eine Chance für die Weiterbildung von Lehrkräften

53 Lehrerinnen und Lehrer nahmen vor Ort an den Schulungen teil, die anderen 43 Lehrkräfte online. Während der sechs Wochen lernten sie Alphabete, Zahlen und Satzrahmen. „Früher hatte ich nur Grundkenntnisse in Blindenschrift, jetzt kann ich sie lesen und schreiben“, sagt Aruna, Lehrer für die Regionalsprache Telugu an einer der Oberschulen der Stiftung für Kinder mit Sprach- und Hörbehinderung.

Hari, der sonst Braille an einer Grundschule für Kinder mit Behinderungen unterrichtet, nahm an den Schulungen sowohl als Schüler als auch als Lehrer teil. Er unterrichtete die anderen Lehrerinnen und Lehrer in Braille und lernte außerdem Gebärdensprache. „Ich freue mich, dass ich nicht nur meinen Schülerinnen und Schülern, sondern auch meinen Kolleginnen und Kollegen Braille beibringen kann. Das Gebärdensprachentraining hat mir das Vertrauen gegeben, mit Kindern mit Hör- und Sprachbehinderungen zu kommunizieren und sie zu unterrichten.“

Lehrkräfte üben Gebärdensprache mit Yugendhar

„Inklusion ist immer das Ziel unserer Arbeit. Wenn wir an den Schulen für Kinder mit Behinderungen in Zukunft Kinder mit verschiedenen Seh- oder Hörbehinderungen gemeinsam unterrichten, werden unsere Lehrkräfte dafür gerüstet sein“, sagt Yugendhar. „Früher haben unsere Lehrerinnen und Lehrer einwöchige Schulungen bekommen, um sich mit Braille vertraut zu machen, aber jetzt ist diese Schulung intensiver. Wenn wir diese Schulungen fortsetzen, werden unsere Lehrkräfte diese Sprachen beherrschen.“

Weiteres Schulungsprogramm für Mitarbeitende in den Wohn- und Rehabilitationszentren in Planung

Der Programmbereich Inklusion der Stiftung will sogar noch einen Schritt weiter gehen. Geplant ist ein gemeinsames, übergreifendes Schulungsprogramm für alle Mitarbeitenden zu organisieren, die Kinder mit Behinderungen in den Wohn- und Rehabilitationszentren betreuen . Neben Yugendhar ist auch Zuleika mit der Organisation des Schulungsprogramms betreut. „Wir möchten ein Training durchführen, das Bewusstsein für verschiedene Arten von körperlichen und geistigen Behinderungen schafft. Die Schulung wird sich auch mit den Merkmalen der verschiedenen Behinderungen, den Ursachen und Identifizierungskriterien beschäftigen. Auch erhältliche Hilfsmittel sowie Gesetze, insbesondere das jüngsten Gesetz zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen von 2016 werden Themen sein.“, erzählt Zuleika. „Das Schulungsprogramm wird in verschiedenen Phasen durchgeführt, und wir überlegen momentan, wie die Umsetzung unter Berücksichtigung der Hygienemaßnahmen erfolgen kann“, erklärt sie.

Eine Lehrerin prägt bei einer Schreibübung Braillezeichen in ein Papier

Schulungen wie diese sind weitaus mehr als nur fachliche Weiterbildungen. Mangelndes Bewusstsein und das mit Behinderungen verbundene Stigma schränken die Entwicklung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Kindern, ein. Wenn Erwachsene mit und ohne Behinderung Sprachen wie Braille oder Gebärdensprache lernen und Wissen über Behinderungen haben, können sie andere dafür sensibilisieren und so zur Schaffung inklusiver Räume beitragen.

„Ich habe selbst eine leichte Sehbehinderung und weiß, wie einsam es machen kann, nicht kommunizieren zu können. Das Erlernen der Gebärdensprache in der Schulung war für mich eine neuartige Erfahrung. Jetzt bin ich in der Lage mit hörgeschädigten Kindern und Menschen zu kommunizieren, und wir können uns über unsere Erfahrungen austauschen“, sagt Mahesh, ein Lehrer an einer Schule der Stiftung für Kinder Behinderungen, mit einem Lächeln.

Text: Felita Viegas, Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland



 




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