Sharada Talari hatte eine schwierige Kindheit. Geboren und aufgewachsen in einem kleinen Dorf in der Region Anantapur, erkrankte sie im Alter von fünf Jahren an Kinderlähmung und ist seitdem in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Ihre Eltern kümmerten sich nie besonders um ihr Wohlergehen und behandelten sie oft schlecht.
„Ich wurde von meinem Vater körperlich misshandelt. Er war alkoholabhängig und hat mich jede Nacht grundlos verprügelt. Ich bekam immer weniger zu essen als meine Schwestern. Niemand in meiner Familie glaubte, dass ich überleben würde“, erzählt Sharada.
Sharada war in der 11. Klasse, als sie ihren ersten epileptischen Anfall erlitt. “In der Schule hatten meine Mitschülerinnen und Mitschüler Angst vor meinen Anfällen. Meine Eltern sahen mich nicht mehr als ihr Kind an. Sie haben mein Essen auf den Boden geworfen. Bevor ich morgens zur Schule gehen konnte, musste ich alle Hausarbeiten erledigen“, fügt sie hinzu.
Ihre Großmutter kümmerte sich um sie und finanzierte ihr eine medizinische Behandlung. Ihre Eltern glaubten jedoch, dass es keine Heilung für sie gab und brachen alle Behandlungen ab. Kurze Zeit später durfte Sharada dann nicht mehr zur Schule gehen und wurde dazu gezwungen, das Vieh zu weiden.
Eine Mitarbeiterin der Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) erfuhr von ihrer Situation und brachte sie ein Krankenhaus. Anschließend wurde ihr eine Stelle in den Kunsthandwerks-Werkstätten der Stiftung angeboten.
„Als ich in der Werkstatt anfing, war ich nicht in der Lage eine Puppe am Tag herzustellen, aber im Laufe der Monate habe ich mich verbessert und jetzt schaffe ich 12 Puppen am Tag. Meine Lehrerinnen und Lehrer haben mich dazu inspiriert, nie aufzuhören zu lernen. Dieses Handwerk ist mehr als ein Beruf, es ist meine Leidenschaft geworden“, sagt Sharada.
Die junge Frau sieht jeden Tag als eine neue Chance und hat beschlossen, etwas aus ihrem Leben zu machen. „Seit ich arbeite, bin ich glücklich. Ich fühle mich wie eine Erwachsene. Früher betrachtete ich mich als Belastung. Ich hatte genug und wollte nicht mehr leben “, erinnert sie sich.
Der Alkoholismus ihres Vaters machte sich bei ihm gesundheitlich bemerkbar und es war Sharada, die ihr erstes Gehalt dafür verwendete, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Sie besucht ihre Familie einmal im Monat und unterstützt sie finanziell, wenn es nötig ist.
Auch ihre eigene Gesundheit hat sich verbessert. Mit der richtigen Medikation hat Sharada, die vorher zwei epileptische Anfälle am Tag hatte, nun seit einem Jahr keinen Anfall mehr gehabt. Sie hat Selbstvertrauen gewonnen und ist geselliger geworden.
„Im Dorf sprach niemand mit mir und sie nannten mich immer „Thikkadanivi“ (verrückt). Früher haben sie mich wie ein Tier behandelt und jetzt kümmern sie sich um mich wie um eine Tochter. Die Leute beglückwünschen mich zu dem, was ich erreicht habe. Viele Verwandte bitten mich um Hilfe“, erklärt sie und betont, dass sie vergeben, aber nicht vergessen hat. Sie will nie mehr von jemandem für selbstverständlich gehalten werden.
In der Werkstatt hat sie Freunde gefunden und fühlt sich angenommen. „Ich habe keine Angst mehr, auf die Straße zu gehen oder meine Meinung zu äußern. Ich möchte, dass meine Familie weiß, dass ich trotz Behinderung arbeiten und Geld verdienen kann. Ich kann auch Menschen ohne Behinderung helfen“, erklärt Sharada.
Text: Harshitha Pudota and Aina Valldaura, Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland