Eine Woche vor ihrem Entbindungstermin machte sich Nivedita* (27) auf ins 76 Kilometer entfernte Stiftungs-Krankenhaus in der südindischen Stadt Kalyandurg zur ihrer planmäßigen Vorsorgeuntersuchung. Bei einem COVID-19 Test vor Ort wurde Nivedita völlig unerwartet positiv auf COVID-19 getestet. „Meine Familie und ich waren geschockt über das Ergebnis. Ist mein Baby gesund? Wie sollte es mit mir weitergehen?“, erzählt Nivedita.
Viele Menschen aus der Region Anantapur, die positiv auf das Coronavirus getestet werden, kommen zum COVID-19 Krankenhaus der Vicente Ferrer Stiftung (RDT) in Bathalapalli. Darunter sind Jugendliche, Ältere und auch schwangere Frauen, wie Nivedita. Sie wurde im Krankenhaus aufgenommen, da die Entbindung kurz bevorstand und sichergestellt werden sollte, dass sie medizinisch versorgt werden kann, falls sich ihr Zustand plötzlich verschlechtert. Die letzten Tage vor der Geburt lag Nivedita auf der COVID-19 Station. Im Kreißsaal traf sie auf die Krankenschwester Sheela*, die die junge Frau bei der Geburt begleitete. Beide Frauen teilten eine große Gemeinsamkeit, denn auch Sheela war schwanger.
Sheela konnte Nivedita ihre Ängste nehmen, denn sie verstand die Sorgen, die sich die werdende Mutter und ihre Familie machten. Sheela kennt die Angst vor Corona aus eigener Erfahrung: Ihre Familie ist dagegen, dass sie Corona-Patienten behandelt. „Meine Familie hat Angst, dass ich mich anstecke und möchte nicht, dass ich mit COVID-19 Patienten arbeite. Aber es sind sehr schwierige Zeiten und der Druck auf das Gesundheitssystem ist groß. Das Krankenhaus ist voll belegt und als medizinische Fachkraft werde ich dringend gebraucht. Ich muss hier sein und den Menschen helfen. Ich habe meiner Familie daher nicht gesagt, dass ich im Kreißsaal auch auf COVID-19 Patienten treffe, aber ich möchte diese Arbeit bis zum Ende meiner Schwangerschaft fortsetzen“, sagt Sheela.
Sheela lebt gemeinsam mit anderen Krankenschwestern im Krankenschwestern-Wohnheim. Sie hat bereits in der ersten Welle COVID-19 Infizierte versorgt. „Schwanger und getrennt von der Familie zu sein ist hart, aber wir sind ein großartiges Team, das sich gegenseitig unterstützt“, sagt Sheela. „Ich arbeite seit 3 Jahren hier im Krankenhaus. Auch wir hatten anfänglich Angst, als das Krankenhaus zu einem COVID-19 Krankenhaus umgewandelt wurde, aber wir wurden gut vorbereitet und darin geschult, wie wir uns am besten schützen können.“
Nivedita brachte im Krankenhaus schließlich einen gesunden Jungen zur Welt. „Ich wusste, dass wir im Bathalapalli-Krankenhaus gut versorgt werden und ich hatte großes Vertrauen“, sagt Nivedita. Auch Kanthamma, Niveditas Mutter, ist erleichtert: „Wir hatten große Sorge, als sie positiv auf COVID-19 getestet wurde und hatten Angst, dass sich das Baby infizieren würde, aber die Ärztinnen und Ärzte haben uns aufgeklärt.“
Im ländlichen Indien kursieren auch heute noch Falschinformationen und Unsicherheiten darüber, wie das Coronavirus übertragen wird. „Viele Mütter haben die unbegründete Angst, dass sie ihre Babys durch die Muttermilch infizieren könnten,“ erklärt Dr. Jyothi, die Leiterin der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie. „Im letzten Jahr hatten wir keine Ansteckungsfälle bei Neugeborenen. Außerdem ist es sehr wichtig, dass die Mutter das Neugeborene stillt. Stillen ist die Grundlage für die Entwicklung eines starken Immunsystems. Andernfalls kann das schlimmere Folgen haben, als wenn das Baby COVID-19 bekommt. Wir empfehlen daher allen Müttern, sich regelmäßig die Hände zu waschen, Maske zu tragen und ihre Kinder zu stillen.“
Insgesamt fünf schwangere Frauen arbeiten in verschiedenen Positionen des Krankenhauses und betreuen COVID-19 Infizierte. „Ich war glücklich und stolz, schwangere Frauen im COVID-19 Krankenraum arbeiten zu sehen. Sheela handelt sehr selbstlos und ich danke ihr für ihren Einsatz für Menschen wie mich von Herzen“, sagt Nivedita mit Tränen in den Augen. Für Sheela ist es eine Erfahrung, aus der sie lernen kann und die ihr hilft, ihre Patienten besser zu versorgen. „Ich kann mit ihnen mitfühlen und verstehe ihre Situation. Das hilft mir, sie bestmöglich zu pflegen und zu versorgen“, sagt Sheela.
Innerhalb eines Monats nach Wiederernennung als exklusives COVID-19 Krankenhaus wurden im Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli 95 schwangere Frauen mit COVID-19 behandelt und bereits 61 Babys auf die Welt gebracht.
*Die Namen wurden geändert, um die Privatsphäre der Personen zu schützen.
Text: Núria Navarro Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland