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Das stille Leiden indischer Frauen


August 18, 2022    VFS

 

Es steht schlecht um die Gesundheit von Frauen in Indien, insbesondere in ländlichen Gebieten. Laut dem Globalen Ernährungsbericht 2017 litten 51 % der indischen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren an Blutarmut. Die Müttersterblichkeit ist mit 113 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten noch deutlich höher als das weltweit angestrebte Ziel für nachhaltige Entwicklung bis 2030.

Von Frauen in Indien wird erwartet, dass sie schweigend leiden. Das bekommen Mädchen von klein auf beigebracht. So ist es nicht verwunderlich, dass viele Frauen sich bei gesundheitlichen Beschwerden keine Hilfe suchen und auch nicht über ihre gesundheitlichen Probleme sprechen. Im ländlichen Indien ist diese Tradition noch stärker ausgeprägt als in den Städten. Im ländlichen Anantapur, wo die Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) ihren Hauptsitz hat und ein Krankenhaus betreibt, haben viele Frauen Risikoschwangerschaften, weil sie Anzeichen für Komplikationen ignorieren und zu wenig nahrhafte Nahrung zu sich nehmen. In vielen Haushalten essen Frauen nach den anderen männlichen Familienmitgliedern und müssen sich mit dem begnügen, was übriggeblieben ist. Das ändert sich oft auch während einer Schwangerschaft nicht. Wenn die Frauen doch versuchen in der Schwangerschaft mehr zu essen, werden ihnen teilweise Schuldgefühle von der Familie ihres Ehemannes eingeredet.

Außerdem sind Blutarmut und Harnwegsinfektionen bei den Frauen im Projektgebiet der Stiftung weit verbreitet. Da die Frauen sich jedoch selten in Behandlung geben, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen. Selbst bei schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen zögern viele Frauen, sich medizinische Hilfe zu suchen, u.a. auch, weil es auf dem Land keine flächendeckende medizinische Versorgung gibt und die Frauen weite Distanzen zurücklegen müssen.

Die Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) arbeitet seit langem daran, die Gesundheit von Frauen in Indien zu verbessern. Dabei hat sich einerseits die Einbeziehung von Sanghams (Frauen-Selbsthilfegruppen) als auch die gezielte Schulung des medizinischen Personals als hilfreich erwiesen.

In den Sanghams haben Frauen einen geschützten Raum, in dem sie sich gegenseitig in Bezug auf die finanzielle Unabhängigkeit oder bei Problemen in der Familie unterstützen. Speziell sensibilisierte Sanghamleiterinnen können das Thema Frauengesundheit aufgreifen, informieren und die gesundheitlichen Probleme der Frauen identifizieren, damit diese rechtzeitig einen Arzt aufsuchen.

Durch die gezielte Schulung der kommunikativen Fähigkeiten des medizinischen Personals sollen außerdem mehr Frauen erreicht werden. Die medizinischen Fachkräfte verfügen zwar über das medizinische Knowhow, aber oft wissen sie nicht, wie sie mit den Frauen sprechen können, damit diese sich ihnen öffnen. Die Kommunikationsschulungen haben sich als sehr hilfreich diesbezüglich herausgestellt.

Dr. Jyothi, Leiterin der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie am Stiftungskrankenhaus in Bathalapalli

In den letzten Jahren hat es schon kleine Fortschritte gegeben. Die Maßnahmen der Stiftung und auch die Aufklärungskampagnen der indischen Regierung zeigen bereits Wirkung. Dr. Jyothi, die Leiterin der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie am Stiftungskrankenhaus in Bathalapalli erzählt, dass „wir schon weniger Fälle von Anämie und Harnwegsinfektionen sehen als noch vor zehn Jahren. Die Frauen sind auch offener für den Pap-Abstrich zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs und haben weniger Scheu davor.“ Doch obwohl sich die Situation verbessert hat, gibt es immer noch viel zu tun. „Die Stigmata und Tabus im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen sind sehr tief verwurzelt. Es wird sicherlich einige Zeit dauern, sich davon zu befreien, aber ich bin zuversichtlich.“

Text: Dyuti Khulbe    Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland

 



 




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