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Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf HIV und TB Patienten in Indien


April 1, 2021    VFS

 

Vor einem Jahr wurde in Indien eine der strengsten Ausgangssperren der Welt verhängt. COVID-19, Einschränkungen, Angst und Unsicherheit waren die Themen, über die Menschen weltweit sprachen. In Indien wurden Krankenhäuser, wie das Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli, in COVID-19-Krankenhäuser umgewandelt, während andere Krankenhäuser aufgrund der Unsicherheit der Pandemie geschlossen wurden. Die Mobilität wurde auf ein Minimum reduziert und die Menschen wurden gebeten, zu Hause zu bleiben. Die ganze Welt stand still, während das COVID-19-Virus sich frei bewegen konnte.

Inmitten dieser extremen Situation musste das Team der Abteilung für Infektionskrankheiten aus dem Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli, bestehend aus 4 Ärzten, 32 Krankenschwestern, 12 Sozialarbeitern und 30 Outreach-Mitarbeitern, einen Weg finden, ihre HIV- und Tuberkulose-Patienten zu versorgen.

„Natürlich hatten wir Angst, wer hatte das nicht? Wir hatten jedoch ein Ziel: Unsere Patienten mit Medikamenten zu versorgen und ihnen auch sonst die erforderliche Unterstützung zukommen zu lassen. Ihre Überlebenschancen hingen von unserer Arbeit ab“, erklärt Rhada, die Koordinatorin der Sozialarbeiter.

Suchen, informieren und versorgen
Nachdem die Adressen aller Patientinnen und Patienten recherchiert worden war, brachten die Outreach-Mitarbeitenden den Betroffenen Medikamente für zwei Monate. Wenn die Patienten nicht ins Krankenhaus kommen können, kommt das Krankenhaus eben zu ihnen. „Dass einige Patienten in dieser Zeit bei ihren Verwandten untergekommen waren, erschwerte unsere Aufgabe zusätzlich“, fügt Radha hinzu.

So zum Beispiel im Fall von Amaravati*. Als die Ausgangssperre verhängt wurde, war Amaravati, die HIV positiv ist, gerade wenige Monate schwanger. Sie und ihr Mann beschlossen aus der Stadt, in die Ruhe und Abgeschiedenheit des Dorfes ihrer Schwiegereltern zu flüchten. „Wir haben Videos von Menschen gesehen, die wegen einer COVID-19 Infektion aus ihren Häusern vertrieben wurden. Was ist, wenn uns das passiert? Wir haben bereits mit dem HIV-Stigma zu kämpfen…“, erklärt Amaravati. „Wenn ich mich mit COVID-19 anstecken würde, was würde mit mir passieren?“, fragte sie sich. Kurz nachdem sie bei ihren Schwiegereltern eingezogen waren, setzte sich Amaravati mit einer Outreach-Mitarbeiterin der Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) in Verbindung. „Sie hat mir meine Medikamente gebracht und mir auch einige Ratschläge gegeben“, erinnert sie sich. „Ich weiß, dass die Medikamente wichtig sind, aber ich war auch sehr dankbar für die Ratschläge, die sie mir bezüglich der Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchungen und meiner Ernährung gegeben hat“, fügt sie hinzu. Amaravatis Sohn kam später kerngesund im Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli zur Welt.

Doch es gab noch weitere Herausforderungen, die bewältigt werden mussten. Viele Dörfer riegelten sich von der Außenwelt ab, aus Angst vor dem Virus. Madhavi*, ein Outreach-Mitarbeiter, erinnert sich: „Ich wurde bedroht, als ich versuchte, in eines dieser Dörfer zu gelangen. Sie fragten immer wieder, warum ich ins Dorf wolle, und drohten mir, aber ich habe ihnen den wahren Grund nicht gesagt, da ich meinen Patienten sonst verraten hätte. Diskretion ist sehr wichtig bei meiner Arbeit. “

„Als die Ausgangssperren wieder aufgehoben wurden, konnten wir die Patienten auf Märkten, an Bushaltestellen und in kleinen Straßen diskret treffen. Ich habe die Medikamente auch einmal in Geschenkpapier eingewickelt und sie dann dem Milchmann aus dem Dorf mitgegeben, um das Paket zu übergeben”, erzählt Lalitha*, eine weitere Outreach-Mitarbeiterin.

Die emotionale Last des Stigmas in Corona-Zeiten
Wie groß der emotionale Stress war, dem sowohl das Gesundheitspersonal als auch die Patienten in den letzten Monaten ausgesetzt waren, ist immer noch schwer abschätzbar.
Mina*, ebenfalls eine Outreach-Mitarbeiterin, erzählt von ihrer persönlichen Erfahrung: „Ich hatte mich mit Corona infiziert. Als meine Nachbarn dies herausfanden, warfen sie mir vor, dass es meine Schuld sei, weil ich nicht zu Hause geblieben wäre.“

Was Minas Nachbarn aber nicht wußten, ist, dass Minas dafür sorgte, dass Menschen wie Lakshmi * und ihr 7-jähriger Sohn ihre lebensnotwendigen Medikamente erhielten. „COVID-19 macht mir keine Angst“, erklärt Lakshmi, die, wie ihr Sohn, seit vier Jahren aufgrund ihrer HIV-Erkrankung in Behandlung ist. „Krankheiten können mit Medikamenten behandelt werden, aber die Diskriminierung der Gesellschaft gegenüber Personen, die mit HIV leben, oder gegenüber Personen, die COVID-19 hatten, oder sich um COVID-19-Patienten kümmerten… Dafür gibt es weder Medikamente noch eine Therapie“, erklärt sie. „Mein Sohn ist mein Leben, und ich werde absolut alles tun, damit er bekommt, was er braucht.“

Die Anzahl der Komplikationen häufen sich
„Zu uns kommen momentan viele HIV- und TB-Patienten mit Infektionen und Komplikationen, weil sie ihre Behandlungen abgebrochen haben. Sie kommen insbesondere aus Regionen, in die unsere Outreach-Mitarbeiter nicht gelangen konnten“, erklärt Dr. Udayakanthapanda Kotari, Arzt in der Abteilung für Infektionskrankheiten. „Unsere Abteilung war immer offen, wir haben nie geschlossen oder jemanden weggeschickt, aber aufgrund der Ausgangssperre kamen nur sehr wenige Patienten aus der Umgebung zu uns. Die Menschen hatten Angst, das Haus zu verlassen, da wollten sie erst recht nicht in ein Krankenhaus gehen“, fügt er hinzu.
„Ich bin stolz darauf, was wir geleistet haben …. Aufgeben ist keine Option.“ sagt Dr. Udayakanthapanda Kotari.

*Die Namen der Personen wurden geändert, um ihre Privatsphäre zu schützen.

 

Text: Aina Valldaura, Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland



 




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