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10 Jahre Hilfe für ein Leben ohne HIV bei Kindern


Dezember 1, 2021    VFS

 

Nikhi*, 23, ist gerade für ihren monatlichen Gesundheitscheck im Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli angekommen. Die junge Frau ist im 8. Monat schwanger und voller Vorfreude auf ihr Baby. Bereits bevor Sie auf den Arzt trifft, weiß sie, was seine erste Frage sein wird: „Nehmen Sie regelmäßig Ihre Medikamente?

Nikhi ist HIV-positiv. Sie infizierte sich während der Geburt bei ihrer Mutter, die selbst nichts von ihrer Erkrankung wusste. „Meine Mutter starb kurz nach meiner Geburt an Aids, mein Vater, als ich 12 war“, erklärt Nikhi.

„HIV ist in Indien eine Familienkrankheit. Viele Männer gehen auf der Suche nach einem Job in die Städte und haben dort außereheliche Beziehungen. So infizieren sie sich. Kehren sie in die Dörfer zurück infizieren sie ihre Frauen, die die Erkrankung dann auf das Neugeborene übertragen (vertikale Übertragung). Deshalb ist die Zahl der HIV-positiven Kinder in Indien im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch“, sagt Dr. Gerardo Alvarez Uría, Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten im Krankenhaus der Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT).

Offizielle Schätzungen geben an, dass in Indien 2017 etwa 145.000 Kinder unter 15 Jahren mit HIV/AIDS lebten und jährlich weitere 22.000 Neuinfektionen hinzukommen. Laut dem Indian Institute of Public Health sind 7% aller HIV-Neuinfizierten in Indien Kinder.

Als 2006 die Abteilung für Infektionskrankheiten neu eröffnet wurde, wurden dort jährlich 200 neue Fälle von HIV-Infektionen bei Kindern diagnostiziert. In den letzten beiden Jahren ist diese Zahl auf weniger als 20 zurückgegangen.

„Die Kinderabteilung war früher stark ausgelastet. Damals kamen viele Kinder in einem späten Stadium der Erkrankung ins Krankenhaus und hatten schwere Komplikationen“, erinnert sich Dr. Gerardo Alvarez Uría. Heute, 15 Jahre später, hat sich die Situation zum Glück geändert. Grund dafür ist ein 2011 von den Ärzten der Abteilung für Infektionskrankheiten im Stiftungs-Krankenhaus ins Leben gerufenes Projekt zur Prävention der Mutter-Kind-Übertragung.

Seit 2011 haben 1.120 HIV-positive Mütter im Stiftungs-Krankenhaus in Bathalapalli ein Kind zur Welt gebracht. Die vertikale Übertragungsrate liegt bei unter 2%, ähnlich wie in Europa und den USA. „Es ist jetzt 10 Jahre her, dass wir das Projekt gestartet haben, und ich kann stolz sagen, dass wir die vertikale Übertragung fast vollständig verhindern konnten, sodass viele der neugeborenen Kinder ohne das Virus leben und sich voll entwickeln können“, erzählt Dr. Gerardo.

Nikhi* besucht nach ihrem Gesundheitscheck Radha, eine der Sozialarbeiterinnen im Krankenhaus, die ihr bei allen Problemen zur Seite steht. „Ich bin mit dieser Krankheit aufgewachsen, sie ist nicht wie andere Krankheiten. Sie ist mit Stigmatisierung und Scham verbunden. Ich habe nichts falsch gemacht, aber werde trotzdem von der Gesellschaft geächtet. Meine Schwiegereltern sprechen nicht mehr mit meinem Mann, weil er sich entschieden hat, mich zu heiraten, obwohl ich HIV habe“, erklärt Nikhi*.

Bis heute ist die Stigmatisierung und Diskriminierung eines der Hauptprobleme für Patienten, die mit dem Virus leben.

„Das erste, was schwangere Frauen mit HIV bei der Untersuchung fragen, ist: ‚Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mein Kind nicht mit HIV infiziert ist?‘. Heute können wir dank der Fortschritte auf unserem Gebiet mit Zuversicht sagen, ´fast 100%´ solange die Frau ihre Medikamente einnimmt und die ärztlichen Ratschläge während der Schwangerschaft und Stillzeit befolgt“, erklärt Dr. Manoranjan, Arzt im Stiftungs-Krankenhaus.

„Schwangeren mitzuteilen, dass ihr Kind die Chance hat HIV-frei zur Welt zu kommen und ein normales Leben zu führen, verändert alles für Frauen wie Nikhi“, erklärt Radha.

Charu* hatte damals weniger Glück. „Ich wusste nichts über HIV/Aids, bis bei mir die Diagnose gestellt wurde, nachdem ich nach einer Fehlgeburt wegen übermäßiger Blutungen ins Krankenhaus musste. Das Einzige, woran ich denken konnte, war meine 8 Monate alte Tochter, bei der sich später herausstellte, dass auch sie das Virus in sich trug.“ Die Nachbarin, die sie am Tag der Diagnose ins Krankenhaus begleitete, erzählte allen von ihrer Erkrankung. Charu und ihre Tochter konnten ihr Dorf nie wieder betreten.

„Das Projekt zur Prävention der Mutter-Kind-Übertragung spielt eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung der Ausbreitung von HIV/Aids und ermöglicht es Kindern von HIV-positiven Müttern ein normales Leben zu führen. Es ist eines unserer erfolgreichsten Projekte. Wir haben aber noch einen langen Weg vor uns, um das Stigma zu überwinden, mit dem diese Patientinnen und Patienten und ihre Familien leben müssen“, schließt Dr. Gerardo Alvarez Uría.

*Die Namen und persönlichen Daten wurden geändert, um die Privatsphäre der Personen zu schützen.

 

Text: Aina Valldaura   Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland



 




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