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Wandel – Die Geschichte von MMHalli


Oktober 12, 2019    VFS

 

MMHalli ist mehr als nur ein kleines Dorf, das am Ende einer kurvenreichen Straße aus Steinen und Staub zwischen Hügeln liegt. MMHalli ist Würde. MMHalli ist Wandel. MMHalli ist Gerechtigkeit. Vor allem aber ist MMHalli der Mut seiner Menschen.

Als die Vicente Ferrer Stiftung 1969 ihre Arbeit in Anantapur aufnahm, hatte das Land mit großen Problemen zu kämpfen. Bei vielen Menschen ging es um das pure Überleben. Der Zugang zu Grundbedürfnissen wie Nahrung, Unterkunft und Gesundheitsversorgung war für die wenigsten Menschen gesichert. 50 Jahre später haben die Menschen und Gemeinschaften in Anantapur gemeinsam mit der Stiftung sehr viel erreicht und die Entwicklung einer ganzen Region vorangetrieben. MMHalli ist ein Beispiel dafür, wie Menschen mit Engagement und Unterstützung alles erreichen können.

Nagamma und Venkatesh: generationsübergreifende Entwicklung

Geschichten von Widerstand und dem Kampf für Gleichheit ziehen sich durch das kollektive Gedächtnis des Dorfes, das seine Bewohnerinnen und Bewohner nahezu aus dem Nichts aufgebaut haben. „Wir wussten nicht, wo wir anfangen sollten, nur, dass sich die Situation ändern musste. Übergriffe gehörten zu unserem Alltag, bis wir uns dagegen wehrten“, sagt Nagamma. „Früher lebten wir in Hütten und mussten für nur 2 kg Reis am Tag für einen Grundbesitzer arbeiten. Es war egal, wie jung oder alt, gesund oder krank wir waren, wir mussten immer arbeiten. Unsere Hütten standen nah beieinander und auf einem Stück Land, das regelmäßig überflutet wurde.“ Nagamma erinnert sich gern an die Zeit zurück, als Vicente Ferrer und das Team der Stiftung in ihr Dorf kamen. Sie gaben ihnen den Mut und die Kraft, sich an die Regierung zu wenden. Schließlich bekamen sie Land zwischen den Hügeln zugeteilt, um dort ein neues Leben beginnen zu können.

Anfang der 1990er Jahre kümmerte sich die Vicente Ferrer Stiftung um den Bau von 49 Häusern im Dorf, im Mittelpunkt stand jedoch der Bau einer Schule für die Kinder. Mit der Bildung, kam der Respekt. Die Häuser brachten Stabilität und die Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. „Die vormals schlechten Lebensbedingungen hatten viele Krankheiten wie Durchfall, Magenprobleme sowie Risiken für schwangere Frauen zur Folge gehabt.“ Nagamma ist nie zur Schule gegangen, wurde aber die erste Gesundheitsberaterin im Dorf. „Seitdem ist weder ein einziges Kind an Durchfall noch eine schwangere Frau gestorben. Auch Menschen aus anderen Dorfgemeinschaften haben sich für Rat an mich gewandt“, sagt sie stolz.

Venkatesh, Nagammas Sohn, arbeitete wie viele andere Kinder auch bereits in jungen Jahren in der Landwirtschaft, bis ihn seine Mutter auf die Schule der Vicente Ferrer Stiftung schickte. Dass er dort ein Mittagessen erhielt, spielte bei der Entscheidung, ihn zur Schule zu schicken, eine nicht unbedeutende Rolle. „Am Anfang haben wir unter einem Tamarindenbaum auf dem Boden gesessen und im Sand das Schreiben geübt. Später hat uns die Stiftung mit Schulmaterial unterstützt und ein Schulgebäude gebaut“, erinnert sich Venkatesh.

Venkatesh, der zur ersten Generation seines Dorfes gehört, die Bildung erhalten hat, ist überzeugt, dass Bildung Unabhängigkeit schafft und „hilft, alle Aspekte des Lebens und der Gemeinschaft zu verstehen„. Das Bewusstsein um die Bedeutung von Bildung brachte ihn auch dazu, Lehrer an einer Schule der Stiftung zu werden. „Es gibt meinem Leben einen Sinn, wenn ich anderen Wissen vermitteln kann, was sie sich dann zu nutzen machen können“, fügt er hinzu.

Sivammas Kampf für Frauenrechte

Die Vicente Ferrer Stiftung motiviert die Frauen eines Dorfes dazu, sich in einem Sangham (Frauen-Selbsthilfegruppe) zusammenzuschließen, um die kollektive Stärke und die Rechte der Frauen zu fördern. Sivamma ist die Leiterin des Sanghams von MMHalli: „Zunächst haben wir 5 Rupien pro Monat gespart und ein Bankkonto eröffnet. Wir wurden von der Stiftung auch über unsere Rechte aufgeklärt und haben gelernt, wie wir Dokumente unterschreiben können.“ Der Sangham wurde außerdem zu einem sicheren Ort für die Frauen, um Themen wie Diskriminierung von Frauen und Gewalt zu diskutieren und sich gegenseitig zu unterstützen. „Früher haben unsere Männer jede unserer Handlungen kontrolliert und uns untersagt, das Haus zu verlassen. Jetzt gehen wir selbstständig zu öffentlichen Ämtern und zur Bank, um unsere Ersparnisse und unser Eigentum zu verwalten.
Vor mehr als einem Jahr haben sich die Frauen von MMHalli zusammengetan, um den Alkoholausschank im Dorf dauerhaft zu unterbinden. „Jedes Mal, wenn ein betrunkener Ehemann seine Frau schlug, protestierten wir dagegen. Wenn wir davon erfuhren, wann der Alkohol im Wald gebrannt wurde, haben wir die Männer verfolgt, manchmal um 1 Uhr nachts, um sie davon abzuhalten, den Schnaps herzustellen“, erinnert sich Sivamma. „Die Männer nahmen unser Geld, um den Schnaps zu kaufen und schlugen uns dann anschließend. Wir mussten das stoppen und das ist uns gelungen.

Anjinamas Mut, alle Barrieren zu durchbrechen
Als Anjinamma 6 Monate alt war, erkrankte sie an Kinderlähmung. Seitdem ist sie an einer Hand und den Hüften in ihrer Bewegung eingeschränkt. Sie verletzte sich regelmäßig an den Knien, weil sie sich nur kriechend fortbewegen konnte. „Ich wurde wegen meiner Einschränkung diskriminiert. Mein Vater dachte, dass ich nicht zur Schule gehen bräuchte, weil ich eine Behinderung habe. Zum Glück hat meine Mutter, eine starke Frau und Mitglied in einem Sangham, an mich und mein Recht auf Bildung geglaubt. Durch Ihre Unterstützung konnte ich bis zur 10. Klasse zur Schule gehen“, erklärt sie.
Die Vicente Ferrer Stiftung hat Anjinamma drei Jahre lang mit Krücken und Physiotherapie unterstützt. „Seit 2013 arbeite ich in den Kunsthandwerkstätten der Stiftung, verdiene mein eigenes Einkommen und bin Mitglied eines Vikalangula Sangham (Selbsthilferuppe für Menschen mit Behinderung). Ich kann voller Stolz behaupten, dass ich heute unabhängig bin.

MMHalli ist die Geschichte von der ersten Generation der Dorfbewohner, die ihre Kindheit auf Feldern verbracht hat, bis zur dritten Generation, die sich nach den Schulstunden mit ihren Freunden zum Spielen trifft. Die Geschichte von denen, deren grundlegendste Rechte vernachlässigt wurden, bis hin zu denen, die jetzt Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung und Unterkunft haben. Von denjenigen, die einst unterdrückt wurden und nun ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Die Geschichte von MMHalli beschreibt eine Realität, die beispielhaft für die Entwicklung vieler Dörfer in der Region ist und die die Reise von Tausenden aus der Angst in die Freiheit zeigt. Eine Reise in Richtung Wandel.

Sehen Sie hier die Video-Dokumentation zum Wandel in MMHalli: https://youtu.be/k7APnGx6FRo

Text: Ambre Panhard, Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung Deutschland



 




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