Es ist 18 Uhr und alle Einwohner von P. Yaleru haben sich für das monatliche Dorftreffen versammelt. Das Treffen findet in dem Gebäude statt, in dem Theresa mehr als 30 Jahre unterrichtet hat. Als sie den Raum betritt, wird es ganz still. Nicht aus Angst, sondern aus Respekt vor der Frau, die viele hier dazu inspiriert hat, das zu werden, was sie heute sind.
Theresa vor der Stiftungsschule von P. Yaleru
Theresa (62) ist vor ein paar Jahren in den Ruhestand gegangen, aber für die Einwohner von P. Yaleru ist und bleibt sie „die Lehrerin“. Sie war die erste im Dorf, die an die Kraft von Bildung glaubte und die sich ihr ganzes Leben dafür einsetzte, Bildung allen zugänglich zu machen. Theresa, die als jüngstes von sechs Kindern in einer wohlhabenden Familie aufwuchs, hatte schon in jungen Jahren das Bedürfnis, benachteiligten Menschen zu helfen. Mehr als 30 Jahre unterrichtete sie die Kinder des Dorfes in der Stiftungsschule, lange bevor es staatliche Schulen für alle Kinder gab.
Die Denkweise ändern
Sie erinnert sich noch genau an ihren ersten Tag als Lehrerin. „Die neugierigen Augen von 60 Kindern, die noch nie etwas von „Schule“ gehört hatten, schauten mich erwartungsvoll an.“ Die erste Stiftungsschule war eine einfache Hütte. Die Situation vieler Menschen im Dorf war prekär und die Eltern brachten ihre Kinder in die Stiftungsschule, nicht vorrangig damit sie lernen konnten, sondern weil sie dort eine warme Mahlzeit am Tag erhielten. „Niemand wusste wirklich, was Bildung bedeutet. Die meisten Eltern arbeiteten von morgens bis abends auf dem Feld für einen mickrigen Lohn. Einige Kinder kamen ungewaschen in die Schule. Das erste, was ich dann tat, war sie zu baden“, erklärt sie. Erst in den 80er Jahren, als die Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) ihre Bildungs-Projekte startete, begann die eigentliche Transformation von unseres Dorfes“, erinnert sich Theresa.
Die Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) stellte jedem Kind im Dorf zwei Uniformen und Schulmaterial zur Verfügung, um sie zum Schulbesuch zu ermutigen und die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gemeinschaften verschwinden zu lassen. In der Schule waren alle gleich. Einige Jahre später baute die Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) eine Stiftungsschule aus Beton, das Theresa mit ihrer Leidenschaft für Bildung zu einem Ort machte, an dem alle Kinder wachsen und lernen konnten. „Bei Bildung geht es nicht nur darum, Schreiben zu lernen, sondern auch, Werte zu vermitteln, das Selbstwertgefühl zu stärken und zu motivieren, hart zu arbeiten, um Träume zu verwirklichen. Das war immer ein wesentlicher Bestandteil meines Unterrichts“, bemerkt sie.
Theresa mit Dorfbewohnern in P. Yaleru
Obwohl Theresa heute nicht mehr so mobil ist wie früher, steht sie immer noch mit vielen ihrer ehemaligen Schülerinnen und Schülern in Kontakt und ist aktiv an der Entscheidungsfindung im Dorf beteiligt. „Jedes Mal, wenn ehemalige Schülerinnen oder Schüler in das Dorf zurückkommen, besuchen sie mich und laden mich zu ihren Familienfesten ein. Ich fühle mich wie eine Mutter für sie alle“, schließt Theresa mit einem breiten Lächeln.
Das Treffen beginnt und Theresa setzt sich in eine Ecke. Theresa lächelt und beobachtet, wie diejenigen, die früher in zerlumpten Kleidern zur Schule kamen, heute die Dorfgemeinschaft führen.
Text: Fátima Yráyzoz Aranda, Aina Valldaura, Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland