„Ich kann jetzt lesen und schreiben und Texte über das Leben in meinem Dorf und meine Familie verfassen“, sagt Mariyamma lächelnd und mit viel Stolz in der Stimme. Im August 2019 begann für Mariyamma und weitere Frauen ein neues Kapitel in ihrem Leben – sie lernten in einem Alphabetisierungs -Pilotprojekt für Erwachsene der Vicente Ferrer Stiftung Lesen und Schreiben.
„Durch das Lesen der Zeitung erfahre ich, was in der Welt passiert“, erzählt Mariyamma und erklärt warum Alphabetisierung gerade für Frauen so wichtig ist: „Wenn wir Frauen schreiben und lesen können, sind wir von niemandem mehr abhängig. Wir sind selbstständig“. Sudha, eine weitere Teilnehmerin des Alphabetisierungsprojekts, stimmt zu und bekräftigt, dass „die Bildung einer Frau der erste Schritt auf dem Weg zur ihrer Unabhängigkeit ist“. Das zeigt sich auch bei den Teilnehmerinnen des Pilotprojekts – seitdem sie Lesen und Schreiben gelernt haben, sind sie selbstbewusster.
„Wie viele andere Frauen, hatte ich nie die Möglichkeit in die Schule zu gehen“, erklärt Mariyamma. Als sie sieben Jahre alt war, begann sie auf Feldern zu arbeiten. Seitdem ist das Pflücken von Baumwolle und das Zupfen von Unkraut ihre einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. „Ich erinnere mich noch daran, dass ich andere Kinder aus meinem Dorf auf dem Weg zur Schule sah und meinen Vater anflehte, mich auch gehen zu lassen“, sagt sie. Auch Sudha und ihre drei Schwestern sind nie zur Schule gegangen, die Familie konnte es sich nicht leisten. Dieses Schicksal teilen heute viele Frauen im ländlichen Indien. Laut offizieller Daten der indischen Regierung sind in der Region Kurnool, in der Mariyamma und Sudha leben, 40% der Menschen Analphabeten, unter den Frauen sind es sogar 50 %.
„Als wir von der Möglichkeit hörten, am Alphabetisierungsprojekt der Vicente Ferrer Stiftung teilzunehmen, war ich sehr aufgeregt. Endlich würde ich etwas lernen können, wozu ich nie die Gelegenheit hatte“, erklärt Mariyamma. Der Zugang zu Bildung ermöglicht Menschen eine aktive Teilhabe am sozialen, politischen und kulturellen Leben des Landes. „Früher war Busfahren oder der Gang auf den Markt eine erschreckende Vorstellung. Jetzt habe ich keine Angst mehr. Ich gehe wohin ich will und bin von niemandem mehr abhängig“, sagt Mariyamma freudestrahlend.
„Lesen und Schreiben lernen war schwierig und eine große Herausforderung für mich. Aber ich wollte es unbedingt lernen. Seit ich klein bin, träume ich davon, lesen zu können, und ich war bereit, alles dafür zu tun. Ohne die Unterstützung der Stiftung und meiner ältesten Tochter Meghana hätte ich es nicht geschafft“, erzählt Mariyamma. „Es macht mich glücklich, dass meine 7-jährige Tochter mich ermutigt und mir beim Lesen hilft. In ihrem Alter musste ich anfangen auf den Feldern zu arbeiten, aber sie kann zur Schule gehen und erhält eine gute Bildung“, freut sich Mariyamma.
Mariyamma und Meghana lesen jeden Abend zusammen. Sie ergänzen sich: Meghana bekommt von ihrer Mutter vermittelt, wie wichtig Bildung für eine selbstbestimmte Zukunft und ein unabhängigen Leben ist. Und sie selbst ermutigt ihre Mutter jeden Tag dazu, Geschichten zu lesen, weiter zu lernen und sich zu verbessern.
Am Ende hat Mariyamma noch einen Appell an alle Frauen: „Wenn ihr die Möglichkeit habt, etwas zu lernen, spielt das Alter keine Rolle. Es ist nie zu spät mit dem Lernen anzufangen!“
Text: Aina Valldaura Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung Deutschland