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Bildung für jung und alt


Oktober 29, 2021    VFS

 


Mit dem Schulranzen auf dem Rücken fragte die sechsjährige Bojamma ihre Freundin, ob sie mit in die Schule käme. „Ich würde gerne, aber ich kann nicht. Ich muss auf dem Feld arbeiten“, antwortete die Freundin.

Zwanzig Jahre später unterrichtet Bojamma nun diese Freundin und viele andere wie sie, die als Kinder nie zur Schule gehen durften.

Bojamma, als Kind einer armen Familie in der Region Adoni in Andhra Pradesh geboren, ist heute ausgebildete Lehrerin. Sie arbeitet an der Bibliotheksschule in ihrem Heimatdorf. Ihr Vater war ein Tagelöhner, der hart arbeitete, um seinen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen. „Als ich aufwuchs, war es normal, dass Kinder auf die Felder gingen, um Baumwolle zu pflücken. Sie trugen zum Familieneinkommen bei“, sagt Bojamma während sie die Bücher in ihrer Bibliothek ordnet. „Aber mein Vater wollte uns unbedingt zur Schule schicken, damit wir eine Ausbildung erhalten und ein Leben in Würde führen können“, erzählt sie.

Bojammas Tag in der Bibliothek beginnt um 7 Uhr morgens. Dann kommen die ersten Besucherinnen und Besucher, hauptsächlich Schulkinder. Bojamma hilft ihnen bei den Hausaufgaben sowie beim Lernen und kann bei Bedarf mit zusätzlichen Lernmaterialien unterstützen. An den Nachmittagen und Abenden unterrichtet sie Erwachsene, die nie die Gelegenheit hatten eine Schule zu besuchen.

Dass sie heute nicht nur ihre eigenen Freunde aus der Kindheit unterrichtet, sondern auch deren Eltern, die mittlerweile um die Wichtigkeit von Bildung wissen und selbst lesen und schreiben lernen wollen, ist für Bojamma eine besondere Situation. „Zu sehen, wie sie stolz einen Stift halten und die ersten Wörter schreiben, ist für mich ein bewegender Moment.“

In Indien sind es insbesondere Frauen, die auch heute noch wenige Chancen auf Bildung erhalten. Traditionell fällt ihnen die Aufgabe zu, sich um ihre Familie zu kümmern, statt sich selbst zu verwirklichen. In Anantapur, wo die Vicente Ferrer Stiftung tätig ist, betrug die Alphabetisierungsrate laut der letzten Volkszählung in 2011 67 %. Nur 59,1 % der Frauen sind alphabetisiert im Gegensatz zu 74,9 % der Männer. Bojamma ist stolz, dass ihr Engagement die Frauen empowert. „Wenn sie jetzt Lesen und Schreiben lernen, ist es etwas, dass sie nur für sich machen“, erklärt Bojamma. „Je mehr Frauen Bildung erfahren, desto schneller schaffen wir den sozialen Wandel hin zu mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Ich bin sehr glücklich einen keinen Teil hierzu beizutragen.“

 

Text: Dyuti Khulbe und Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland



 




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