Hörschädigung ist die zweit häufigste Behinderung in Indien. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leiden schätzungsweise 278 Millionen Menschen im Land an einer Schwerhörigkeit und 63 Millionen an einer erheblichen Hörschädigung.
Viele Familien in abgelegenen ländlichen Regionen haben keinen Zugang zu fachlicher Beratung und es fehlt ihnen das Wissen für die besonderen Bedürfnisse ihrer hörgeschädigten Kinder. Dadurch können die Kinder oft nur stark eingeschränkt kommunizieren und sind sozial isoliert. Um dieses Problem anzugehen, hat die Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) ein audiovisuelles Wörterbuch in Gebärdensprache namens „Lasst eure Hände sprechen“ in Telugu entwickelt. Dieses soll dazu beitragen, die Gebärdensprache bekannter zu machen, so soll sie z.B. in öffentlichen Schulen verteilt werden und außerdem für die betroffenen Familien ein Lerninstrument zur Verfügung stellen. Das Wörterbuch wird an auch in den Inklusionsschulen der Stiftung und in staatlichen Sonderschulen in ganz Andhra Pradesh verteilt.
Suseela Chinthamani (23) und Mahamad Dandúde (22), beide Absolventen der Schule für Hörgeschädigte der Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT), haben ihr Wissen über die Gebärdensprache zur Verfügung gestellt und waren so maßgeblich daran beteiligt, den neuesten Band dieses Wörterbuchs mit mehr als 2.300 Zeichen zu füllen. Wir haben Suseela und Mahamad interviewt, um mehr über das Projekt zu erfahren.
Warum ist dieses Wörterbuch wichtig?
Suseela: „Dieses Wörterbuch ist sowohl für hörgeschädigte Menschen als auch für ihre Familien sehr hilfreich, da es ihnen hilft, leichter zu kommunizieren. Dies hat auch einen großen Einfluss auf die Entwicklung der hörgeschädigten Kinder, da die Eltern nun in der Lage sein werden, sie zu verstehen und ihnen etwas mitzuteilen.“
Was ist das Beste an diesem Wörterbuch?
Mahamad: „ Das Buch ist einfach verständlich und sehr anschaulich, daher glaube ich, dass es sowohl von Kindern als auch von Menschen mit wenig Schulbildung verstanden werden kann.“
Frauen mit Behinderung sind eine der am stärksten gefährdeten Gruppen im ländlichen Indien. Glaubt ihr, dass die Gesellschaft bereits im Wandel ist?
Suseela: „Es stimmt. Ich glaube jedoch, dass sich die Situation heute verbessert hat, aber es liegt noch ein langer Weg vor uns. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass es den langsamen, aber stetigen Wandel gibt. Meine Kindheit war schwierig, weil meine Familie meine Behinderung nicht verstand und die Tatsache, dass ich ein Mädchen war, hat meine Situation zusätzlich erschwert hat. Als ich in der Grundschule war, kehrte ich jeden Tag zurück, ohne etwas gelernt zu haben. Durch meine Behinderung verschlechterte sich auch meine Beziehung zu meinem Vater und meinem Bruder. Auf die Unterstützung meiner Mutter konnte ich jedoch immer zählen. Als wir irgendwann in einem Krankenhaus der Vicente Ferrer Stiftung in Indien (RDT) waren, erklärten sie uns, dass ich keine Krankheit, sondern eine Behinderung habe. Meine Mutter lernt jetzt Gebärdensprache, um sich besser mit mir verständigen zu können.“
Was möchtet Ihr Kindern mit auf den Weg geben, die wie Ihr diese Behinderung haben?
Suseela: „Ich möchte ihnen sagen, dass sie genauso glücklich sein können wie alle anderen. Wenn sie sich anstrengen und eine Leidenschaft haben, können sie all ihre Träume verwirklichen. “
Mahamad: „Ich würde insbesondere den Familien, aber auch den Kindern sagen, dass Bildung von grundlegender Bedeutung ist, um sich zu verständigen. Das audiovisuelle Wörterbuch hilft dabei, die Kluft zwischen Hörgeschädigten und Hörenden zu überwinden und ist auch ein Schritt in Richtung Gleichstellung und Inklusion.“
Text: Fátima Yráyzoz Aranda, Übersetzung: Vicente Ferrer Stiftung in Deutschland